Bemerkung: auf alten Tonträgern – überwiegend Tonband – existieren von vielen Stücken Aufnahmen – teilweise für Rundfunksender entstanden. Zur Zeit laufen die rechtlichen Anfragen, um diese Aufnahmen demnächst auch auf dieser Homepage zugänglich zu machen. Gleiches geschieht mit Notenmaterialien, die ebenfalls hier sichtbar gemacht werden sollen. Bei Handschriften erfolgen zur Zeit Scanvorgänge oder Übertragungen in Notenprogramme. Bei Verlagsausgaben werden wir versuchen, Ausschnitte zur Ansicht bereitzustellen und dann die vollständigen Angaben zur Bestellmöglichkeit zu ergänzen.

„Beförderungsbedingungen der Dortmunder Stadtwerke“

für Tenor und Kammerorchester (1971)

Originaltitel: ALLGEMEINE BEFÖRDERUNGSBEDINGUNGEN FÜR DEN STRASSENBAHN-, OBUS-UND OMNIBUSLINIENVERKEHR SOWIE BESONDERE BEFÖRDERUNGSBEDINGUNGEN UND TARIFBESTIMMUNGEN DER DORTMUNDER STADTWERKE A.G. VERKEHRSBETRIEBE VOM 1. MÄRZ 1970 für Tenor und Kammerorchester (1971)

Dauer: 07:46 Min.

Sätze:

I Vorspiel-Larghetto,  

II §1(1) Antritt der Fahrt §3(1) Einnahme der Plätze und Verhalten der Fahrgäste auf den Plätzen-Allegro energico,  

III §8(6) Mitnahme von Sachen-Allegretto, §8(7)-Vivo,

IV Zwischenspiel-Lento,

V §9(1,6) Beförderung von Hunden und anderen kleinen Tieren-Andante amabile,

VI Zwischenspiel II, Andante

VII Verhalten der Fahrgäste und Ausschluss von der Beförderung §14 (1,2,11a,b,13)-Allegro marcato

Besetzung: 1 Flöte 1 Oboe  1 Trompete in B, Klavier, Streichquintett (mehrfach besetzt) 4 Pedal-Pauken, Schlagzeug: 2 kleine Trommeln, hängendes Becken, 1 kleiner Gong, 1 großer Gong, Triangel

UA: Dortmund, Albert Weikenmeier (Tenor), Continuum-Ensemble, Leitung: Werner Seiß

Eine Tonbandaufnahme liegt vor. Der Dirigent Werner Seiss hat einer Präsentation der Aufnahme auf dieser Homepage im Juni 2020 zugestimmt, ebenso der Sohn des Tenors Albert Weikenmeier als Rechtsnachfolger. Herzlichen Dank dafür. 

Sollten weitere Rechtsansprüche an dieser Aufnahme bestehen, bitten wir um Mitteilung.

Die „Beförderungsbedingungen“ sind eine ganz besondere Komposition, die Schäfers subtilen loriotschen Humor in raffinierter Manier verbindet mit ernsthafter satztechnischer Konstruktion-

Erster Satz

Zweiter Satz

Dritter Satz

Vierter Satz

Fünfter Satz

Einführung des Komponisten in dieses spezielle Werk – ganz im Sinne Loriots:

Als ich die Beförderungsbedingungen der Dortmunder Stadtwerke (Abteilung Verkehrsbetriebe) zum ersten Male gelesen habe, war ich sogleich von der kraftvoll-markigen, klaren und kernigen Sprache stark beeindruckt.

Da Beförderungsbedingungen im Allgemeinen kaum zur Kenntnis genommen werden, beschloss ich, diesen Text zu vertonen, um ihn einem größeren Kreise zugänglich zu machen.

Diese Beförderungsbedingungen strahlen aber nicht nur eine geradezu urgermanische Kraft aus, sie sind gleichzeitig auch ein Dokument tiefster Menschlichkeit: in rührender Fürsorge ist an Sicherheit und Wohl der Fahrgäste, aber auch an ihre besonderen Wünsche und Neigungen gedacht, sei es an die Mitnahme von Kinderluftballons und Rucksäcke oder an die Beförderung von großen und kleinen Tieren und Gepäckstücken.

Nicht zuletzt besitzen die Beförderungsbedingungen einen hohen pädagogischen Wert: sie scheinen mir so recht geeignet zu sein, unserer durch die Demokratie verweichlichten Jugend die Tugenden ihrer Urgroßväter als erstrebenswertes Ziel vor Augen zu führen, nämlich Ordnung, Disziplin, Gehorsam, Bescheidenheit und Ehrfurcht vor der Obrigkeit.

TEXT:

II §1(1) Antritt der Fahrt §3(1)

Einnahme der Plätze und Verhalten der Fahrgäste auf den Plätzen

Der Fahrgast ist verpflichtet, unverzüglich nach dem Besteigen des Wagens unaufgefordert  den erforderlichen Fahrschein beim Schaffner unter Angabe des Fahrziels zu lösen.

Jeder Fahrgast ist verpflichtet, bei Einnahme oder Verlassen seines Platzes oder bei Benutzung eines Stehplatzes, besonders in der Nähe der Außentüren, sich einen festen Halt zu verschaffen, so daß er bei den im Betriebe unvermeidlichen Schwankungen und Stößen weder selbst Schaden erleidet, noch anderen Schaden zufügt.

III §8(6) Mitnahme von Sachen

Kinderluftballone dürfen nur in Nichtraucherabteilen mitgeführt werden. Rucksäcke sind vor Betreten des Fahrzeugs abzunehmen.

§8(7) Für Gepäckstücke, die den Platz von Personen einnehmen, ist der tarifmäßige Fahrpreis für Kinder zu bezahlen, und zwar sind für jedes Gepäckstück so viele Fahrscheine zu lösen wie es Plätze einnimmt.

Entscheidung darüber, ob ein Gepäckstück zahlungspflichtig ist oder nicht und wieviel Fahrscheine zu lösen sind, trifft der Schaffner.

§9(1,6) Beförderung von Hunden und anderen kleinen Tieren

Hunde dürfen mitgeführt werden, soweit sie ohne Belästigung der Fahrgäste untergebracht werden können. Im Zweifelsfalle entscheidet der Schaffner. Falls Mitreisende gefährdet werden können, so muss der Fahrgast dem Hund einen Maulkorb anlegen. Kleine Hunde müssen getragen, große an kurzer Leine geführt werden.

Bei starkem Andrang haben Fahrgäste ohne Hund den Vorrang.

§14(1, 2, 11a, 11b, 13) Verhalten der Fahrgäste und Ausschluss von der Beförderung

Die Fahrgäste haben sich bei der Benutzung der Fahrzeuge, Wartehallen, Bahnanlagen und anderen Betriebseinrichtungen so zu verhalten, wie es die Sicherheit und Ordnung des Betriebes und die Rücksicht auf andere gebieten. Den allgemeinen Anordnungen der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden ist Folge zu leisten.

Wer diesen Anordnungen nicht nachkommt, hat das Fahrzeug, die Wartehalle, die Bahnanlagen oder andere Betriebseinrichtungen zu verlassen.

Von der Beförderung sind ausgeschlossen: Betrunkene und Personen mit ekelerregenden oder ansteckenden Krankheiten, explosionsfähige, leicht entzündliche, ätzende oder übelriechende Stoffe.

Schussbereite Waffen dürfen nur von Personen mitgeführt werden, die amtlich zur Führung einer Schusswaffe befugt sind.

Zuwiderhandlungen werden nach §61 des Personenförderungsgesetzes bestraft.

Pressekommentare

Ruhr Nachrichten:

Gerhart Schäfer hält sich dabei an vier Paragraphen der Stadtwerke-Beförderungsbedingungen, die er mit bewährter Erfindungs- und Satzkunst, viel Geist und Humor ausgestaltet und einen Tenor, vom Kammerorchester begleitet, vortragen läßt.

Westfälische Rundschau:

….Gerhart Schäfer lieferte mir einer humorvollen, geschickt instrumentierten, durchsichtigen und plastischen Vertonung der Beförderungsbedingungen der Dortmunder Stadtwerke den Rahmen…

Westfälische Allgemeinde Zeitung (WAZ):

Schäfer entlarvt mit seinem durchaus seriösen satztechnischen Können die zwölftönige Sing- und Spielweise als besonders geeignetes Medium für skurrile Texte….

2 Pressekommentare zur 3. Veranstaltung des nordrhein- westfälischen Zyklus` vom „Studio für Neue Musik“  im Rathaussaal der Stadt Münster:

Weitere Zeitung (nicht zuzuordnen):

Den Abschluß des Konzertes bildete die amüsante Kantate des Dortmunders Gerhart Schäfer, für Tenor und Kammerorchester, „Allgemeine Beförderungsbedingungen der Dortmunder Stadtwerke.., eine witzige, musikalisch originelle und allseits gelungene Komposition…..

Heiterer Ausklang waren die „Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Dortmunder Stadtwerke AG-Verkehrsbetriebe vom 1. März 1970 für Tenor und Kammerorchester von Gerhart Schäfer. Ähnlich dem „Katalog für landwirtschaftliche Maschinen von Milhaud hatte Schäfer die „urgermanische Kraft der Sprache“ des Behördendeutsches in Töne gesetzt….

Kantate „ENTFALTUNG DES WESENTLICHEN“

für Bariton-Solo, gemischten Chor und Orchester (1960/61)  

Sätze:

I Geleit (Chor) – Andante, II Groß ist der Mensch  (Chor) – Allegro maestoso, III Gott rief dem Wind (Bariton-Solo und Chor) – Andante, IV Ewige Wiederkehr (Chor) – Con moto, V Serbisches Bettlerlied (Bariton-Solo) – Andante tranquillo, VI Entfaltung des Wesentlichen (Chor) – Moderato, VII Was kann der Mensch (Chor) – Allegro marcato

Gesamtdauer: 20 Min.

UA Dortmund 1977; Ensemble der Musikhochschule Dortmund Ltg.: Prof. KMD Hatto Ständer

Auftragskomposition des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie

Eine Aufnahme des Werks, bei der der Herausgeber dieser Seite als Student im Chor mitgesungen hat, wird aktuell gesucht.

TEXTE:

I Geleit (Heinz Haubrich)

Lebe der Zeit

und strebe

nach ewigen Zielen.

Prüfe den Schritt

und stehe

zu dem, was du tust.

Nur in der Tat

bestehen

die Ernten der Kommenden,

wenn über der Kraft

waltet der Geist

versöhnender Liebe.

Diene dem Recht

und säe

den Segen der Güte!

II Gross ist der Mensch (James R. Jolobe, Afrika)

Hoch sind die Himmel

und fern sind die Sterne.

Weit ist die Welt,

entrückt ihre Grenzen.

Tief sind die Meere,

kein Stab kann sie gründen.

Doch groß bist du Mensch!

Obwohl du so klein bist,

sind große Kräfte

versteckt in deiner Gestalt.

O Tag deiner Mannheit!

Wessen Geist ersteigt die Sterne,

wessen Herz sucht die Grenzen der Erde,

wessen Seele dringt in die Tiefen?

III Gott rief dem Wind (Ludwig Götting)

Gott rief dem Wind,

gab Odem und den Geist,

zu leben tätig in Gedanken.

So will ich freudig,

wie ich bin gereist,

das Segel heißen,

mag das Schiff auch schwanken.

IV Ewige Wiederkehr (Teragatha, Indien)

Und immer wieder sät man aus den Samen,

Und immer wieder gießt des Regens Gottheit,

Und immer wieder ackert man den Acker,

Und immer wieder häuft sich Korn im Speicher.

Und immer wieder werden Bettler bitten,

Und immer wieder werden Geber geben,

Und immer wieder neue Gabe geben,

Und immer wieder neue Himmel finden.

V Serbisches Bettlerlied

Du gerechter Mensch auf Erden,

Der du bist ein Diener Gottes!

Willst du wahrlich Gottes Kind sein,

Tue Gutes hier im Leben:

Ehre deinen ältern Bruder,

Dass auch dich die Jüngern ehren.

Sei im Guten nicht vermessen

Und im Bösen nicht verzweifelt,

Sei nicht gierig fremder Habe!

Denn, o Mensch, du Diener Gottes,

Wenn der Tod den Menschen abruft,

Führt er nichts mit sich von dannen

Als nur seine weißen Hände,

Als nur seine guten Werke!

VI Entfaltung des Wesentlichen (China)

Wahre Worte sind nicht schön,

Schöne Worte sind nicht wahr.

Tüchtigkeit überredet nicht,

Überredung ist nicht tüchtig.

Der Weise ist nicht gelehrt,

Der Gelehrte ist nicht weise.

Der Berufene häuft keinen Besitz auf,

Je mehr er für andere tut,

Desto mehr besitzt er.

Je mehr er anderen gibt,

Desto mehr hat er.

Des Himmels Sinn ist segnen, ohne zu schaden.

Des Berufenen Sinn ist wirken, ohne zu streiten.

VII Was kann der Mensch (Goethe)

Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen,

Als dass sich Gott-Natur ihm offenbare.

Wie sie das Feste lässt zu Geist verrinnen,

Wie sie das Geisterzeugte fest bewahre.

Pressekommentare:

Westfälische Rundschau (WR):

In Schäfers 1961 entstandenen, satztechnisch an großen Vorbildern geschulten, phantasievollem siebenteiligem Opus für Chor, Bariton und Orchester nach Dichtungen zeitlich verschiedener Kulturen (u.a. China, Afrika, Indien, Goethe) fesseln die beiden Soli (Gott rief den Wind / Serbisches Bettlerlied). Peter Radüdges farbweiches Organ sicherte im Rahmen der von Hatto Ständer gewissenhaft einstudierten und geleiteten schwierigen Choraufträge besten Erfolg.

Westfälische Allgemeine Zeitung (WAZ):

….ein gediegenes Werk in anspruchsvoller Hindemith-Nachfolge…

Ruhrnachrichten (RN):

Die Kantate „Entfaltung des Wesentlichen“ von  Gerhart Schäfer  –  Kompositionslehrer des Instituts – bewegt sich zwar in klassisch-tonalen Bahnen, aber in einer zeitgemäßen Tonsprache, die in ihrer scheinbaren Einfachheit hohe Anforderungen an die Ausführenden stellt. Die eindrucksvolle Wiedergabe stellte auch das für den Sinngehalt wichtige gesungene Wort vorbildlich deutlich heraus.